Als Folge der wachsenden internationalen Vernetzung seit Beginn des 20. Jahrhunderts zieht es immer mehr junge Menschen für ihr Studium – oder zumindest eines Teils dessen – ins Ausland. Studierende haben hierdurch die Möglichkeit, neue Kulturräume kennenzulernen, Fremdsprachen zu erlernen und die eigenen Berufsperspektiven zu verbessern. Während traditionell die europäischen oder englischsprachigen außereuropäischen Nationen seit langem beliebte Studienorte sind, führt der Plan eines Studienaufenthaltes in Asien bei Familie und Freunden immer noch häufig zu Erstaunen und Skepsis. Trotz der heute schon enormen wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Bedeutung vieler asiatischer Nationen, wächst die Zahl deutscher Studierender an asiatischen Universitäten vergleichsweise langsam. Dabei bietet ein Auslandsstudium in Asien einzigartige Möglichkeiten, um einen Einblick in ferne Länder und fremde Kulturen zu gewinnen und sich selbst für eine spannende Arbeit im Wirtschaftsraum der Zukunft zu qualifizieren.

Asien umfasst etwa ein Drittel der weltweiten Landmasse und beinhaltet mit China und Indien die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Der wirtschaftliche, politische und kulturelle Einfluss Asiens auf den Rest der Welt wächst stetig an. Unter den sieben wirtschaftlich stärksten Nationen weltweit befinden sich mittlerweile mit Japan, China und Indien drei asiatische Staaten – zwei davon unter den Top-Drei.

Schon heute bildet der asiatische Raum für viele global agierende, deutsche Unternehmen die wichtigsten Absatzmärkte und spielt so auch für die Wohlstandssicherung in Deutschland eine wichtige Rolle. Der größte deutsche Automobilhersteller – VW – verkaufte beispielsweise 2018 von seinen weltweit abgesetzten 10,83 Millionen Fahrzeugen rund 4,2 Millionen allein in China. Bei vielen anderen deutschen international agierenden Unternehmen zeigt sich ein ähnliches Bild. Damit ist ein Studienaufenthalt in Asien auch eine Investition in die eigene berufliche Zukunft.

Einhergehend mit der wirtschaftlichen Vernetzung folgt auch ein immer intensiverer wissenschaftlicher Austausch. Seit Jahren etablieren sich mehr und mehr Austauschprogramme zwischen europäischen und asiatischen Universitäten. Diese Programme erfreuen sich trotz der enormen finanziellen Förderung durch die Gastländer häufig noch keiner, mit den klassischen Erasmusprogrammen vergleichbaren, Beliebtheit. Grund dafür ist trotz der internationalen Annäherung auch die immer noch bestehende Fremdheit und Exotik vieler asiatischer Kulturen für deutsche Studierende, womit diese Länder nicht unmittelbar als längerfristiger Studienort in Frage kommen. Bei stetig steigender Zahl international Studierender in China, auch aus unseren europäischen Nachbarländern, stagniert die Zahl deutscher Austauschstudierender in China seit mehreren Jahren. Die Gründe hierfür sind unterschiedlicher Natur. Darunter fällt einerseits die anhaltende negative Berichterstattung über Luftverschmutzung und Umweltbelastung in chinesischen Städten, andererseits stellt auch die sprachliche Barriere einen großen Faktor für viele Studierende bei Ihrer Standortwahl dar. Sicherlich haben auch die momentanen politischen Entwicklungen und das daraus folgende schlechte Image Chinas allen voran in Deutschland zu diesem Trend beigetragen. Entgegen der stagnierenden Zahlen steigt jedoch der Bedarf an asien- bzw. chinakompetenten Akademiker*innen als Bindeglied der Kulturräume in vielen Unternehmen stetig an. Dies schafft einzigartige Karriereperspektiven für alle, die den Schritt nach Fernost wagen.
Dabei gibt es viele Gründe, die für ein Auslandsstudium in Asien sprechen. In vielen Destinationen sind die Lebenshaltungskosten noch weitaus geringer als in Europa oder in den USA. Studiengebühren für ausländische Studierende werden häufig von den Gastuniversitäten getragen, um ihre Studienprogramme für Auslandsstudierende attraktiver zu machen. Gerade in den wachstumsstarken Nationen wird seit Jahren massiv in höhere Bildung investiert, was zu attraktiven Studienorten und einer guten universitären Infrastruktur führt, die Studierenden keine Wünsche offen lässt. Hiervon konnte auch ich während meines einjährigen Jurastudiums an der Tsinghua University in Peking profitieren. Die Internationalisierung chinesischer Universitäten wird seitens der chinesischen Regierung stark gefördert und so trifft man als ausländischer Studierender auf sehr attraktive Konditionen für sein Studium. Sei es durch Visaerleichterungen, moderne und saubere Studierendenwohnheime oder spezielle Austauschprogramme mit den chinesischen Kommiliton*innen vor Ort. Die Tsinghua University, als international führende Bildungseinrichtung, lässt ihren Studierenden keine Wünsche offen – sei es im Rahmen ihres Studiums oder ihrer Freizeitgestaltung. Ich hatte die Möglichkeit, modernste Bibliotheken, digitale Hörsäle, aber auch verschiedenste Sportanlagen, Schwimmbäder oder Theater zu nutzen. Nur auf dieser Grundlage, so wurde uns berichtet, könne man von den Studierenden Höchstleistungen und herausragende Ergebnisse erwarten. So geht an chinesischen Hochschulen Leistungsforderung mit einer starken Förderung einher.

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An das Bild mit See und Tempel: Besuch des neuen Sommerpalasts in Peking gemeinsam mit meinen Kommilliton*innen.

Ein weiterer, und der vielleicht noch entscheidendere Grund, sich für ein Auslandsstudium in Asien, insbesondere in China, zu entscheiden, ist die Möglichkeit, mit einer Jahrtausende-alten und uns so fremden Kultur in intensiven Kontakt zu treten. Die interkulturelle Erfahrung ist nicht mit der eines touristischen Aufenthaltes vergleichbar. Während meines Auslandsaufenthaltes konnte ich immer wieder die enorme Gastfreundlichkeit und Offenheit der asiatischen Kulturkreise erfahren. Unzählige Male wurde ich von Einheimischen zu gemeinsamen Essen oder Ausflügen eingeladen, die immer begeistert waren, mir ihr Land und ihre Kultur zu zeigen. Manche der dort geschlossenen Kontakte halten sich bis heute. Dies führt zu einmaligen Erlebnissen, von denen man sein Leben lang zehrt und Einblicken in die Gesellschaft, die einem die Möglichkeit gibt, auch einen neuen Blick auf seine eigene Herkunft zu bekommen. Viele Studienorte sind neben dem kulturell Eindrücklichen auch landschaftlich sehr attraktiv und oft nicht mit unserer westeuropäischen Geographie vergleichbar, was zu ausgiebigen Reisen in der Region oder anliegende Länder einlädt.
Zuletzt bietet, auch und gerade, die zuerst einmal abschreckende sprachliche Barriere eine Chance, durch Erlangung hinreichender Sprachkenntnisse, sich in besonderem Maße für internationale Berufe zu qualifizieren. Chinesische Universitäten sind mittlerweile derart internationalisiert, dass hinreichend englischsprachige Kurse für Gaststudierende angeboten werden. So verläuft das eigentliche Studium komplett auf Englisch, womit sich auch das eigene Englischniveau extrem verbessert. Daneben hat man die Möglichkeit, in verschiedensten Sprachkursen und im Alltag, sich Sprachkompetenzen in Mandarin (Hochchinesisch) anzueignen. Man merkt schnell, wenn man sich in fremden Kulturkreisen aufhält, dass nichts so wichtig ist wie die Möglichkeit, sich verständigen zu können. Während wir in Europa mit hinreichendem Englisch noch meistens zurechtkommen, ist dies in Asien nicht der Fall. Hier ist man gefordert, die Sprache vor Ort zu erlernen, was einem aber auch neue Einblicke in die Kultur eröffnet. Und im Nachhinein ist das Erstaunen, das man zuhause auslöst, wenn man erzählt, man könne Mandarin sprechen, doch weitaus größer als es z.B. bei Französisch der Fall ist.

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Bild mit Pokal: Siegerteam des nationalen Tsinghua University School of Law International Arbitration Moot Court 2019, einer Gerichtssimulation für angehende Jurist*innen.

Sofern man also Offenheit und Interesse für fremde Kulturen und den berühmten „Blick über den Tellerrand“ mit sich bringt, bietet ein Auslandsstudium in Asien eine echte Alternative klassischen Erasmusprogramm, zu welchem Schritt ich jeden nur ermutigen kann. Für einen ersten Einblick in diese spannende Welt bietet die alljährliche Chinaexkursion der Oberstufe des Gymnasiums Michelstadt eine tolle Option.

Go West? Go East!

* Der Autor ist Jurastudent an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Im Rahmen seines Studiums studierte er für ein Jahr an der School of Law der Tsinghua University in Peking, China. Er absolvierte sein Abitur im Jahr 2015 am Gymnasium Michelstadt.