Woyzeck

Zwei großartige Theaterabende zum 200-jährigen Jubiläum

Mit dem Stück „Woyzeck – Bühne des Lebens“, einer Adaption des „Woyzeck“ von Georg Büchner, boten die Schülerinnen und Schüler des Grundkurses Darstellendes Spiel der Q3 unter der Leitung von Grit Metzler am 18. und 19. November eine ausgezeichnete, zweimal "ausverkaufte" Theatervorstellung. Ergänzt wurde die Aufführung jeweils durch eine einleitende Performance des Grundkurses Darstellendes Spiel der Q1 unter Leitung von Christiane Schwermer.

Der Theaterabend begann mit einer beeindruckenden Performance des Grundkurses Q1 von Christiane Schwermer, Leiterin des Fachbereichs I. Dabei gelang es den Schülerinnen und Schülern, die bedrückende Stimmung des Dramenfragments von Georg Büchner sowie die Demütigung und den von Willkür und Machtmissbrauch geprägten Leidensweg des Soldaten Woyzeck in der Ständegesellschaft des Vormärz im System Metternich vortrefflich aufzugreifen und die eigene Verbindung zum Drama zu verdeutlichen. Die Schülerinnen und Schüler, die zunächst alle gleich gekleidet waren, stellten einen Automaten dar, der von einer Spielerin bedient wurde und Informationen zu Büchners Leben in der Zeit des Vormärz von sich gab. Dass das Publikum nicht alle Informationen aus dem Stimmengewirr der Schülerinnen und Schüler verstehen konnte, war dabei beabsichtigt, denn auch Georg Büchner, der durch seine Beteiligung am hessischen Landboten, einer revolutionären Streitschrift, die für den Ausruf „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ bekannt ist, offen die Unterdrückung der Bevölkerung in der Zeit des Vormärz anprangerte, blieb in seiner Zeit ungehört und wurde auf Geheiß der Obrigkeit gesucht und musste vor der Verfolgung nach Straßburg fliehen. Darüber hinaus sollte auch der Soldat Woyzeck nach dem Willen des Hauptmannes und des Doktors ähnlich einem Automaten funktionieren und wurde entmenschlicht.  Außerdem thematisierten die Schülerinnen und Schüler wieder als Automat, der von einer Spielerin aktiviert wird, ihre Verbindung als Jugendliche zu dem Dramenfragment und trugen Assoziationen zusammen. Verbunden wurden die Sequenzen durch eine unbenannte Figur, die durch eine Ohnmacht in eine Traumwelt gelangt und dort jeweils den Automaten bedient.   

Der Grundkurs Darstellendes Spiel der Q3 hatte unter der Leitung  von Grit Metzler das Dramenfragment „Woyzeck“ zu einer aktuellen und äußerst gelungenen Adaption unter dem Titel „Woyzeck – Bühne des Lebens“ weiterentwickelt und sich dafür intensiv und kritisch mit Büchners Originalwerk auseinandergesetzt. Der Kurs hat sich außerdem mit Brechts epischem Theater befasst und untersucht, welche Elemente dafür sorgen, das Publikum zum Nachdenken anzuregen und so gewannen die Schülerinnen und Schüler wertvolle Erkenntnisse, die in die Adaption des Werkes Eingang fanden. 

Die Hauptfigur Frida Woyzeck, gespielt von Emelie Elser, Vanessa Geilert und Ewdokiya Radulova, wird tot aufgefunden. Um zu ermitteln, was zum Tod der Jugendlichen geführt hat, betrachten eine Kommissarin und ihre Assistentin, dargestellt von Sharon Hammerschmidt und Fabiola Weiss, Stationen des Lebens der Toten, die von einer Schauspielgruppe dargestellt werden.

Frida wird von Ängsten und Selbstzweifeln geplagt, die sich im Laufe des Dramas zu ausgeprägten Wahnvorstellungen entwickeln. Damit sie an Gewicht verliert und die gesellschaftlichen Schönheitsnormen erfüllt, unterzieht sich das Mädchen einer Erbsendiät. Sogar von der eigenen Mutter (Milena Mayer), die verhindern möchte, dass die Tochter eine ähnliche Figur wie sie selbst entwickelt, wird Frida abgewertet und zu der einseitigen Ernährung aufgefordert. Die Ärztin (Alina Flath) sieht in Frida lediglich ein Versuchsobjekt und auch die Psychologin (Helene Meyer) demütigt Frida, anstatt sie ernst zu nehmen und zu unterstützen. 

Es wird deutlich, wie Frida, immer mehr einsam, einer ihr feindlich gesonnen Umwelt, in der sie oft Unterdrückung und Demütigung erlebt, gegenübersteht. Zunächst scheint noch ihr Freund Max, gespielt von David Beisheim, zu ihr zu halten, doch spätestens in der Szene beim Wirt, gespielt von Silvana Oprins, die auch die auch die Rollen des Showmasters und der Sportlehrerin verkörpert, wird deutlich, dass er Frida mit Diana, dargestellt von Sophia Schmitz, betrügt. Diana verkörpert, im Gegensatz zu Frida, eine Figur, die gesellschaftliche Anerkennung und Würdigung erfährt und dem Schönheitsideal entspricht.

Frida, deren Wahnvorstellungen, angetrieben durch die immer wiederkehrende Verachtung ihrer Person, nun mehr und mehr Raum einnehmen, betrachtet ihr Leben als sinnlos.

Damit ist auf der Grundlage des bekannten Werkes von Georg Büchner unter der Regie und Leitung von Grit Metzler ein postmodernes Drama entstanden, das Demütigung und Leid in der heutigen Gesellschaft, in der Beliebtheit, äußere Schönheitsideale und Rollenbilder die Realität mitunter in menschenfeindlicher Art und Weise prägen, eindrucksvoll darstellt und uns allen den Spiegel vorhält. So wie der Soldat Woyzeck Missachtung und Unterdrückung erfährt, so erlebt dies auch Frida Woyzeck.